Inhaltverzeichnis
• Vorwort / 2
Bruno Kämmerling
• Die Situation der Flüchtlinge in der Region am Beispiel von Premnitz / 4
Jürgen Mai
• Neubeginn im Premnitzer Werk / 9
Jürgen Mai
• Wer dachte 1945 an Kultur / 11
Redaktionell von Jürgen Mai bearbeitet
• Erinnerungen an die Flucht und Neuanfang in Premnitz / 14
Wolfgang Bornstädt, Redaktionell von Hans- Jürgen Wodtke bearbeitet
• Es kam alles ganz anders / 55
Hasso Maske, Redaktionell von Hans- Jürgen Wodtke bearbeitet
• Die letzten Kriegstage auf den Böhner Höfen / 65
Hans-Jürgen Wodtke
• Der Krieg in unserer Nähe / 78
Marie-Eliese Wittstock, Redaktionell von Peter Wittstock bearbeitet
Autoren: Hans-Jürgen Wodtke und andere
Herausgeber: Rathenower Heimatbund e.V.
Format: 14,7 x 21 cm, Seiten: 84, Gewicht: 122 g, Sprache: Deutsch
Einband: Broschur, Erschienen: 2015, 1. Auflage
Preis: 7,50 € inkl. 7% MwSt.
Leseprobe
Neubeginn im Premnitzer Werk
Jürgen Mai
Am 2. Mai 1945 wurde Premnitz kampflos der vorrückenden Roten Armee über lassen. Nach Übergabe des Werkes an die sowjetischen Truppen kam es zum Produktionsstillstand. Das Kraftwerk wurde jedoch auf Befehl des Stadtkommandanten bereits am 3. Mai 1945 wieder angefahren. Der Ort und das Werk hatten den Zweiten Weltkrieg weitestgehend unbeschadet überstanden. Die Werke in Premnitz und Döberitz blieben von massiven Bomben angriffen verschont. Offensichtlich wurden die benachbarten Werke von amerikanischen und britischen Bombardements ausgenommen, um die mit Lizenz amerikanischer und britischer Firmen betriebene Novoktan-Anlage (Bleitetra) in Döberitz zu verschonen. Novoktan war als Zusatz für Hochleistungstreibstoffe vor allem für die Luftwaffe von kriegswichtiger Bedeutung. Obwohl die Alliierten wussten, dass Novoktan für die bewegliche Kriegsführung unverzichtbar war, finden sich weder Döberitz noch die zweite deutsche Novoktananlage in Frose (Sachsen-Anhalt) auf den Ziellisten der alliierten Bomberflotten. Folge der Zerstörung dieser Anlagen wäre gewesen, dass wenige Wochen danach kein deutsches Flugzeug mehr hätte starten können. Offensichtlich verdienten die Amerikaner und Briten auch im Krieg an jeder Tonne des hier produzierten Novoktans mit.
Im Werk waren im Juni 1945 nur noch ca. 80 Personen beschäftigt, die sich mit einer Behelfsproduktion befassten. Aktivkohlereserven wurden zu Medizinalkohle umgearbeitet. Vornehmlich in den Laboratorien stellte man kleine Mengen von Medikamenten und anderen Erzeugnissen her, unter anderem Aspirin, Tannin und Sacharin, darüber hinaus Sandpapier, Leim aus Kartoffelstärke und Lackfarben. In den Werkstätten wurden Behelfsmöbel hergestellt.
In Premnitz konnten im September 1945 der verbliebene Teil des Kunstseidenbetriebes und der Aktivkohlebetrieb wieder die Produktion aufnehmen. In Döberitz ging ein Teil der Schwefelsäureanlage wieder in Betrieb. Dennoch war der Fortbestand des Werkes gefährdet, da gemäß der Beschlüsse des Potsdamer Abkommens das Werk Premnitz und das ab 1945 der Werkleitung Premnitz unterstellte Werk Döberitz als ehemalige I.G. Farben-Betriebe von einer umfassenden Demontage der Produktionsanlagen für Reparationsleistungen betroffen waren.
Im Dezember 1945 waren wieder 2148 Menschen in Lohn und Brot.
In Premnitz wurden bis Mitte 1946 folgende Anlagen demontiert: Zellwolle Vistra, Schwefelkohlenstoff, Perlon- Versuchsanlage, Teile des Kunstseidenbetriebes und der Energieversorgung. In Döberitz wurden die Betriebsteile für Salpetersäure, Anilin- und Nitroprodukte einschließlich der Hexogen- Sprengstoffanlage, Eisenpulver und teilweise auch die Schwefelsäureanlage demontiert.
Die Produktion von Novoktan wurde in Döberitz unter sowjetischer Leitung bereits am 25. Mai 1945 wieder in Betrieb genommen und noch bis 1946 weitergeführt, bevor sie bis 1948 demontiert und im sowjetischen Chemiekombinat Dsershinsk wieder aufgebaut wurde.