Besiedelung der Böhner Gemarkung
Die Ansiedelungen Böhne, Dersen und Bünsche
Von Hans- Jürgen Wodtke
Ortslage Böhne in den 1980er Jahren Grafik: Nadine WodtkeBöhne, das beschauliche Dorf an der Havel, wird um 1370 erstmalig urkundlich erwähnt. Doch der Ort ist wesentlich älter, wie neue Untersuchungen des Architekten und Heimatforschers Wolfram Bleis ergeben haben. Danach ist als eigentliches Gründungsjahr 1108 belegt. Das war die Zeit in der deutsche Kolonisten versuchten das noch wendische Gebiet endgültig für sich zu erobern. Die Geschichtsschreibung berichtet von einem Jahrhunderte währenden Kampf, in dem auch sächsische Kriegsheere unsere Region verwüsteten. Doch nicht nur die ausdauernde Widerstandskraft der einheimischen Wenden bestimmte den Verlauf der Kolonialisierung im Elb-Havel-Winkel, sondern auch die in dieser Zeit sehr launische Elbe.
Als Ortsgründer gilt der Markgraf Rudolf von Stade (*1070 – †1124). Dieser herrschte in der Zeit von 1106 –1114 als Markgraf, unter anderem auch über das Gebiet zwischen Elbe und Havel. Mit der aktiven Unterstützung des Erzbischofs Adelgot von Magdeburg kam es zur Gründung dieser neuen Ansiedlung am Westufer der Havel.
Wolfram Bleis vertritt zudem die These, dass die Gründerväter den Ort nicht ohne Grund mittig zwischen der Burg Milow und der Burg Alt Rathenow, gelegen am Westufer der Havel, angelegt haben. Zumal es darüber hinaus auch noch von Böhne eine direkte Verbindung westwärts, zur Burg Tangermünde gab. Diese Wehranlage bildet mit den anderen beiden Burgen bei Bedarf eine Verteidigungsallianz, welche für militärische Stabilität, in der damals noch wendisch geprägten Region zu sorgen hatte. Da in dieser Zeit die Elbe, je nach Wettersituation, auch weite Teile unserer unmittelbaren Gegend nur zu oft für längere Zeit unpassierbar machte, benötigte man sichere, der Elbeüberschwemmung trotzende Landverbindungen. Das sieht Bleis mit Verweis auf die topografische Karte unserer Region für bestens erfüllt. Böhne hatte danach im Mittelalter, neben der eigentlichen dörflichen Aufgabe, die Funktion eines Verkehrsknotenpunktes von entsprechender Wichtigkeit, den es vor Angriffen von außen zu schützen galt.
Jedoch benötigte man hierzu wie auch zur gewinnbringenden Bewirtschaftung des noch zu kultivierenden Acker- und Weidelandes sowie Aufbau eines funktionierenden Dorfes zupackende Menschen. Allerdings werden in der von den Wenden zuvor ohnehin schwach besiedelten und durch die vorangegangenen Eroberungskämpfe stark ausgebluteten Region, kaum hinreichend Bewohner für das neue Dorf zu finden gewesen sein. Deshalb verfügte Markgraf Rudolf von Stade, dass einige Untertanen aus seiner anhaltinischen Besitzung fortan im neu gegründeten Havelort zu leben haben. Wie damals üblich, brachten die Menschen den angestammten Ortsnamen aus der Heimat an ihren neuen zwangszugewiesenen Lebensort mit. Da die Siedler aus Bone, einem heutigen Ortsteil der Stadt Zerbst/ Anhalt kamen, hieß die Neuansiedlung fortan auch Bone, später dann Bähne, woraus schließlich Böhne wurde.
In der Ortsnamenforschung gilt die Herkunft eines Ortsnamens als dann hinreichend bewiesen, wenn es noch ein zweites, in der Nähe geleges Ortnamen-Paar gibt. Hier ist es die zwischen Sydow und Wust gelegene Wüstung Zernitz. Im Zerbst/ Anhalt befindet sich als ein Nachbarort vom heutigen Ortsteil Bone der rund 10 Kilometer entfernte Ortsteil Zernitz.
Wenn man auf die frühe Geschichte von Böhne zurückblickt, darf das seit Jahrhunderten wüst liegende Dersen nicht unerwähnt bleiben. Diese Wüstung befand sich nach Meinung von Historikern einst ca. 600m vor dem westlichen Dorfeingang, auf dem Weg zur Böhner Schäferei. Aus den Aufzeichnungen des Böhner Kantors Meier, aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts geht hervor, dass Dersen und Böhne einige Jahrhunderte nebeneinander bestanden haben müssen. Ob allerdings Meier mit seine Vermutung Recht hat, dass es sich hier einst um einen slawischen Ort handelte, muss angezweifelt werden. Schon eher möglich erscheint die heutige Vermutung, dass es am Standort einen wendischen Ort Teschen gab, der vor der Gründung von Dersen verschwand.
Nach den Forschungsergebnissen von Historiker Bleis hat Margraf Heinrich IV von Stade (*1102 - †1128) und sein Schwager Margraf Heinrich von Meißen (*1103 - †1123) die Gründung der Siedlung initiiert. Der Ortsnamen Dersen, damals Derzen, wurde durch die Neusiedler aus dem Ort Thesau mitgebracht. Dieser, spätere auch zur Wüstung geworden, befand sich westlich von Zwenkau im Altkreis Leipzig.
Eine weitere, für die Böhner Dorfgeschichte wichtige Ansiedlung sind die Kleine und Große Bünsche, später zu Schmetzdorf gehörend. In den 1950er Jahren zu Wüstungen geworden, befanden sich diese unweit der heutigen Verbindungsstrasse zwischen der B188 und Schmetzdorf. Die Gründer der Ansiedlungen Bünsche und Dersen waren identisch. Allerdings kamen die ersten Siedler der Bünsche aus dem sächsischen Bohnitzsch, nordöstlich von Meißen. In späteren Zeiten wurden daraus die in unmittelbaren Nachbarschaft gelegene Kleine und Große Bünsche. In alten Aufzeichnungen findet man im Zusammenhang mit der Großen Bünsche die dazu gehörende Flurbezeichnung Hangenbuntzke (Hagenbünsche). Chronisten können sich vorstellen, dass es sich dabei um ein und dieselbe Hofstelle in unterschiedlichen Zeitabschnitten handelte. Schließlich steht dieser Name für eine Bünsche im oder am Wald. Und dieser wurde infolge der starken Besiedlung des Gebietes von 950 bis 1200 stark zurückgedrängt. Die Folgen waren, anders als heute, große waldfreie Flächen zwischen Elbe und Havel. Die Kleine Büsche ist danach mit der Legen Buntzik (Legenbünsche) identisch. Nach Historiker Bleis könnte dabei der Zusatz „Kleine“ auf eine ursprünglich slawische Siedlung hinweisen.