Inhaltverzeichnis
• Vorwort / 3
Karin Dietze
• Von der kulturellen Freizügigkeit zurück in die Eiszeit / 4
Die DDR-Jugend- und Kulturpolitik in den 1960er Jahren
• Der Beat-Club, die Kultsendung im Westfernsehen / 10
Fernsehrevolution in schwarz-weiß
• Endlich! Rathenows Jugend bekommt ein eigenes Klubhauses / 14
Jugendzeitschrift „neues leben“ wird zum Geburtshelfer
• Ich war ein Groupie der „Fellows“ / 20
Karin und Peter Dietze erinnern sich
• Musik, Infos und Lebensgefühl aus dem Westradio / 24
Radiowellen hielten keine noch so hohe Mauer auf
• Hauptsache bunt und Hosen mit Schlag / 29
Matthias Korn, Redaktionell von Hans-Jürgen Wodtke bearbeitet
• Links, zwei drei, im Wiegeschritt / 33
Tanzstunde - Albtraum in Dreivierteltakt
• Brieffreundschaften über alle ideologischen Grenzen / 37
Als man sich noch Briefe schrieb
• Ungleicher Kampf von Kirche und Staat um die Jugend / 41
Jugendweihe vs. Konfirmation
• Der einst heißeste Beatschuppen der Region / 46
Der Böhner Beatkeller
• Piratensender sendete aus Premnitz für die Region / 54
Alwin Lache, Redaktionell von Hans-Jürgen Wodtke bearbeitet
• „Lager der Arbeit und Erholung“ in der Landwirtschaft / 59
Mit jugendlichem Elan zur Stärkung der Republik
• Jugendtanz in den späten 1960er Jahren / 63
Vom rauf und runter in der Jugendpolitik der DDR
• Die Electric’s - Kultband aus dem Elb-Havel-Winkel / 69
Band-Portrait
Autoren: Hans-Jürgen Wodtke und andere
Herausgeber: Rathenower Heimatbund e.V.
Format: 14,7 x 21 cm, Seiten: 76, Gewicht: 112 g, Sprache: Deutsch
Einband: Broschur, Erschienen: 2018, 1. Auflage
Preis: 7,50 € inkl. 7% MwSt.
Leseprobe
Hauptsache bunt und Hosen mit Schlag
Die Beatmusik brachte neue Mode in Ost und West
Die, die wir uns vor 50 Jahren der Beatmusik verschrieben hatten, wollten das auch nach außen zeigen, so wie es uns unsere Vorbilder im Westfernsehen vorlebten. Doch an die kultigen Sachen heranzukommen war damals äußerst schwierig.
Zudem fanden unsere Vorstellungen von zeitgemäßer Kleidung und Haarpracht bei un-seren Eltern nur bedingt und bei den staatlich gelenkten Stellen überhaupt keine Zustimmung. Das brachte uns zum Teil in heftige Konflikte mit den Erwachsenen, stachelte uns aber auch zu den verrücktesten Ideen an. An einige Erlebnisse aus dieser Zeit soll nachfolgend erinnert werden.
„Beat“- Mode im Osten - Fehlanzeige
Zu dieser Zeit trug die Bekleidungsindustrie der DDR herzlich wenig zur Befriedigung der Wünsche an modischer Bekleidung für die Jugend bei. Das war nach dem vom Politbüro im Herbst 1965 eingeleiteten jugend- und kulturpolitischen Kahlschlag von den staatlichen Stellen auch nicht anders gewünscht. Schließlich hatte man doch der Beat-musik und der damit einhergehenden Beatkultur und -mode den Kampf angesagt.
Wollten sich die jungen Leute damals dennoch dem Trend im Westen folgend kleiden, so konnten nur die westdeutsche Verwandtschaft oder eigene Kreativität Abhilfe bringen.
Die Westverwandtschaft sollte ran
Auch ich zählte in dieser Zeit zu den jungen Beateenthusiasten die sich sehnlichst eine Levi‘s Jeans und dazu ein Nyltest-Hemd in leuchtend roter Farbe wünschten. Meine Großmutter, die sich ohnehin auf Verwandtenbesuch in den Westen aufmachen wollte, versprach das Problem für mich zu lösen. Schließlich stand meine Konfirmation bevor und so glaubte sie, wäre das für meinen Patenonkel Reinhold in Bonn eine gute Gelegenheit sich auch mal erkenntlich zu zeigen. Der war dann auch anfangs bereit für sein armes Patenkind im Osten etwas Geld locker zu machen. Allerdings schränkte er gleich ein, dass er für Ami-Buxen, wie er die von uns heißbegehrten Levi‘s Jeans abwertend nannte, keinen Pfennig rausrücken würde.
Den Höhepunkt seiner Entrüstung machte aber mein Wunsch nach einem roten Nyltest-Hemd aus. „Niemals würde er für ein rotes, ein Kommunistenhemd, sein sauer verdientes Geld verschleudern“, so sein niederschmetternder Kommentar. Da war dann selbst meine resolute Großmutter sprachlos und beschloss fortan die familiären Bande nur noch auf die obligatorischen Weihnachtsgrüße zu begrenzen.
Dank meiner stets pragmatisch handelnden Großmutter, ihren Überredungskünsten und anderer Westverwandtschaft bin ich dann aber doch noch zu meinem Wunschhemd und dem ersten weißen Rollkragenpullover aus synthetischen Fasern gekommen. Nun hatte ich leider immer noch keine Jeans, war aber mit dem Pullover voll im Trend. Denn zu dieser Zeit trug der modebewusste junge Mann, den Rolli-Pullover unter dem Sakko bzw. der Anzugjacke oder leger mit Hemden kombiniert.
Eigenkreationen dank findiger Macher
Nur zu oft fehlte es aber an der Westverwandtschaft, die bereit war, die heißbegehrten Kleidungsstücke zu kaufen und in den Osten zu versenden. Da halfen dann nur eigene Lösungen oder man kannte jemanden der weiterhelfen konnte.
An so einen Fall erinnert sich der Rathenower Mathias Korn, ab 1968 Mitglied der lokalen Beatband „Gerdis ………….