Grüße zum Advent
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Kurztext: Mit dem Beat-Club begann 1965 im westdeutschen Fernsehen eine neue Ära mutiger Jugendsendungen, welche die Jugend in Ost und West maßgeblich beeinflusste. Nach Krawallen in der Berliner Waldbühne verschärfte Walter Ulbricht nur kurze Zeit später in der DDR den Kurs gegen die Beatkultur. Umso intensiver prägte daraufhin die Beatmusik das Lebensgefühl vieler Jugendlicher im Ost noch nachhaltiger.
Wie der Beat-Club maßgeblich das Jugendleben in Ost und West mitbestimmte
In der DDR von der Jugend geliebt und der Politik verteufelt
Von Hans-Jürgen Wodtke
Uschi Nerke war einst das Gesicht des Beat-Clubs, jener Jugendsendung, die nicht nur Fernsehgeschichte schrieb, sondern recht schnell mehr wurde als nur eine Musiksendung. Bildcol-lage: Wodtke
Die erste Sendung – ein Meilenstein
Es kam schon einer riesigen Sensation gleich, als am Samstag, dem 25. September 1965 die erste Beat Club Sendung über den Bildschirm flatterte. Genau um 16:45 Uhr begrüßte der spätere langjährige Tagesschausprecher Wilhelm Wieben die Fernsehzuschauer in der ARD zur ersten Jugendsendung im bundesdeutschen Fernsehen. Mit den Worten: „Guten Tag, liebe Beat-Freunde. Nun ist es endlich so weit. In wenigen Sekunden beginnt die erste Show im deutschen Fernsehen, die nur für euch gemacht ist. Sie aber, meine Damen und Herren, die Sie Beatmusik vielleicht nicht mögen, bitten wir um Verständnis. Es ist eine Live-Sendung mit jungen Leuten, für junge Leute. Und nun geht’s los.“
Produziert wurde die Jugendsendung neuen Typs von Radio Bremen, einer Sendeanstalt, die sich damals mutig und aufgeschlossen zeigte, der in Deutschland noch negativ besetzten Beatmusik, eine Chance zu geben. Das Negativimage der Beatmusik hatte nur wenige Tage zuvor in der breiten Öffentlichkeit durch einen Stones-Krawall in Westberlin noch einmal kräftig Nahrung bekommen. Dort hatten von der örtlichen Presse massiv aufgeputschte Jugendliche am 15. September 1965 während eines Beatkonzertes in der Berliner Waldbühne diese zum Konzertende im großen Umfang zerstört. Einen nicht unwesentlichen Anteil an diesem Krawall wurde damals den Rolling Stones angelastet. Diese hatten mit ihrer Musik den ohnehin schon bebenden Waldbühnen-Kessel zum Überkochen gebracht. Nachdem sie dann auch noch „Satisfaction“, den von allen Anwesenden herbeigesehnten aktuellen Nr-1-Titel aus den englischen Charts spielten, mussten sie sich schleunigst in Sicherheit bringen. Es kam zum Abbruch des Konzertes und anschließenden brutalen Einsatz der Polizeikräfte, was wiederum zur rasenden Wut und Zerstörungswahn bei vielen Konzertteilnehmern führte. Die Zerstörung war damals so riesig, dass erst Jahre später die Waldbühne wieder, dann aber vorerst nur mit „gepflegter“ Musik bespielt werden konnte.
Mutige Macher und Moderatoren
Somit stand der Programmstart des Beat-Clubs alles andere als unter einem guten Stern und attestiert den damaligen Machern beim kleinen norddeutschen Fernsehsender eine ordentliche Portion Zivilcourrage. Zu den mutigen Machern der ersten Sendung gehörten als Moderatoren der Bremer DJ Gerhard Agustin und die damals 21-jährige Uschi Nerke, ebenfalls aus der Hansestadt. Sie eroberte mit ihrer jugendlichen Art, ihrem charmanten Lächeln, den stets superkurzen Röcken und der nicht zu übersehenden anfänglichen Unsicherheit sofort die Herzen der zumeist jungen Fernsehzuschauer.
Es war wohl damals schon eher Zufall, wenn man als DDR-Jugendlicher zu diesem Zeitpunkt vor dem Fernseher saß. Ich gehörte zu den Glücklichen und erlebte vollkommen elektrisiert den Startschuss ins Beat-Club-Zeitalter. Das war einfach großartig und ich erinnere mich noch heute recht gut daran. Endlich eine Fernsehsendung mit unseren Idolen aus dem Radio. Neben den „The Yankees“ aus Bremen, die ihr „Halbstark“ und einige andere Titel vor dem tanzenden Studiopublikum intonierten, traten die erste Girlgroup der Welt die Liverpooler “The Liverbirds“ und andere damals aktuelle Beatgrößen auf. Das hätte noch stundenlang so weitergehen können, doch nach 30 Minuten war leider Schluss mit den elektrisierenden Beatakkorden. Da blieb dann nur der Trost auf die nächste Sendung am 30. Oktober 1965.
Beatmusikkonsum in der DDR und Ulbrichts Reaktion
Doch bis es so weit war, ereilte die zu dieser Zeit sehr kreative und produktive DDR-Musik- und Kulturszene der Bannstrahl des Ostberliner Politbüros. Nur zwei Jahre zuvor hatte Staatsratsvorsitzender Walter Ulbricht selbst am 21. September 1963 über das „Neue Deutschland“ seinen damals arg verwunderten Genossen und ebenso erstaunten DDR-Bürgern eine umfassende Liberalisierung der Jugend- und Kulturpolitik verkündet. Von nun an wurde unter anderem die Beatmusik im Lande nicht nur toleriert, sondern deren Verbreitung auf vielfältige Weise forciert. Diese neue Form im Umgang mit der Jugend und der Kultur im Arbeiter-und-Bauern-Staat fand jedoch nicht bei allen führenden Genossen, unter ihnen auch Honecker, die von Ulbricht eigentlich erwartete Zustimmung. Diese Gruppe schien im Sommer 1965 nur auf eine Gelegenheit gewartet zu haben ihre Vorstellungen in die Tat umzusetzen. Mit den Krawallen beim Rolling Stones Konzert in der Westberliner Waldbühne, bei der auch die von der DDR in ganz Berlin betriebenen S-Bahn-Einrichtungen massiv beschädigt wurden, lieferten jetzt die scheinbar nötigen Argumente für ein Rollback in der Kultur- und Jugendpolitik im Lande.
Für Ulbricht, der sich nun wohl aus Selbsterhaltungstrieb auf die Seite der Reformverweigerer des noch zuvor von ihm propagierten neuen Kurses stellte, war nun die Beat Musik „der Versuch westimperialistischer Drahtzieher, die eine akustische Kriegsvorbereitung in die DDR tragen wollen“. Auf Weisung des Politbüros wurden daraufhin im Oktober 1965 das Spielen jeglicher Beatmusik in den DDR-Medien verboten. Viele DDR-Bands, die englische Beatmusik coverten, entzogen die staatlichen Stellen ihre Spiellizenz. Weiterhin wurden englische Bandnamen untersagt und der Zusatz Combo zur Pflicht gemacht. Damit waren DDR-Musiker, sofern sie nicht unter ein Spielverbot gefallen waren, gezwungen sich auf andere, der aktuellen Politik genehme Musik umzustellen. Eine schwierige Zeit für Musiker und deren Fans im Osten.
Beat-Club als Impuls für Jugendprotest
Und eben genau in diese angespannte Zeit platzten die ersten beiden im Westfernsehen ausgestrahlten Beat-Club-Sendungen hinein und fachten den Unmut der DDR-Jugend zusätzlich noch an.
In der Folge kam es überall im Land zu Krawallen und Auseinandersetzungen zwischen Beatmusikanhängern und der Staatsmacht. So versammelten sich am 31. Oktober 1965, einem Tag nachdem die 2. Beat-Club-Folge ausgestrahlt wurde, über 2000 junge Leute in der Leipziger Innenstadt zur „Leipziger-Beat-Demo“, um ihren Unmut gegen die zuvor erlassenen Verbote zum Ausdruck zu bringen. Die Volkspolizei ging mit Hunden, Gummiknüppeln und Wasserwerfern gegen die Jugendlichen vor und nahm mehr als 260 Demonstranten in der Messestadt fest.
Nur wenige Wochen später unterstrich Ulbricht, nun offensichtlich endgültig umgeschwenkt, in seiner oft zitierten Rede auf dem 11. Plenum des ZK der SED den eingeschlagenen neuen Kurs: „Ist es denn wirklich so, dass wir jeden Dreck, der aus dem Westen kommt, kopieren müssen? Ich denke Genossen, mit der Monotonie des yeah, yeah, yeah und wie das alles heißt, sollte man doch Schluss machen.“
Die Ähre Beat-Club sollte sieben Jahre dauern
Der Beat-Club genoss auch in den Folgejahren beim jugendlichen Publikum in Ost und West weiterhin eine große Beliebtheit. Doch ab 1969 veränderten die Macher der Kultsendung zunehmend Gesicht und Inhalt des Beat-Clubs. Dabei entfernte man sich von der bis dahin gepriesenen „Hitparadenkultur“ und somit auch von Massengeschmack des Publikums. Die Sendung entwickelte sich unter dem Einfluss der 1968-Bewegung, dem Protest gegen den Vietnamkrieg und dem zunehmendem Drogeneinfluss in der Musikszene sukzessive zu einem Eldorado für Kenner und Freaks. Am 9.12.1972 wurde der Beat-Club nach 83 Folgen für immer eingestellt.
Erschienen mit geringfügigen Änderungen am 27. Sept. 2025 in der BRAWO, Lokalausgabe Rathenow