Kurztext:
Böhne beherbergte mit dem „Kleinen Hof“ und dem „Großen Hof“ einst zwei Rittergüter. Der „Kleine Hof“ entstanden 1561 durch Erbteilung. Die beide Rittergüter wurden nach rund 250 Jahren unter der Regie von Jenny Briesen, geb. von Briest wieder vereint ......
Böhne hatte einst zwei Rittergüter
Vom Entstehen und Vergehen des „Kleinen Hofes“
von Hans-Jürgen Wodtke
Etwaige Ortslage von Böhne um 1796. Zu diesem Zeitpunkt waren die beiden Rittergüter des Ortes im Besitz von Johanna Christina Friederike (Jenny) von Möllendorf, geb. von Briest. Repro Wodtke
Zwei Rittergüter in einem Dorf
Wenn man das kleine Haveldorf Böhne heute betrachtet, möchte man kaum glauben, dass sich hier einst zwei Rittergüter befanden und Jahrhunderte nebeneinander existierten. Bei der urkundlichen Ersterwähnung vor 650 Jahren wird allerdings nur ein Rittersitz genannt. Das zweite Adelsgut entstand nach der Böhner Geschichtsschreibung 1561, also beinahe 200 Jahre nach der amtlichen Erstnennung des Ortes. Anlass für die Neugründung eines weiteren örtlichen Ritterbesitzes war hier, wie auch aus anderen Dörfern bekannt, eine Erbteilung. An für sich war eine Erbteilung eines adligen Besitzes zu jener Zeit nichts Besonderes. Doch nicht selten führte eine Teilung zur wirtschaftlichen Schwächung des einstigen Stammbesitzes. Deshalb versuchte der Landadel nur zu oft durch Erwerb von zusätzlichem Landbesitz dieser Gefahr entgegen zu wirken. Diese Bemühungen wurden immer wieder mit harten Bandagen und oft zum Nachteil der dörflichen Bauern- und Kossatenschaft geführt. Nicht anders war das seiner Zeit auch in Böhne (siehe BRAWO vom 27. Mai 2020). Dank der Aufzeichnungen des Böhner Kantors und Ortschronisten Meyer sowie der Rathenower Hobbyhistorikerin Heike Brett wissen wir heute mehr darüber wie dieses Prozedere vor rund 460 Jahren ablief.
Not und Bedrängnis im Spätmittelalter
Zu Beginn des 15. Jahrhundert wurde Böhne - sowie viel Orte der Region - Opfer eines Raubritterüberfalls. Dieser ging, so berichtet die Chronik, noch recht glimpflich für die Gesundheit und das Leben der Einwohner des Dorfes aus. Dafür mussten die ohnehin damals recht armen und ständig um ihre nackte Existenz kämpfenden Menschen üppigen Tribut an die sie überfallenen Quitzow-Raubritter entrichten. Zudem machten in den Folgejahren Wetterunbilden, Überschwemmungen und Missernten den geplagten Dorfbewohnern das Leben zusätzlich schwer. In der Mitte des 16. Jahrhunderts brachte die erste Pestwelle Angst und Schrecken in die Dörfer an der Havel. Wenn auch die todbringende Seuche weder vor Arm noch Reich einen Bogen machte, waren es doch überwiegend die armen, in bescheiden Verhältnissen lebenden Menschen, die besonders davon betroffen wurden. In der Folge verloren viele Dörfer der Region eine Vielzahl ihrer Einwohner. Nicht wenige der 300 bis 500 Jahren zuvor im Rahmen der Kolonisierung im Elb-Havel-Winkel gegründeten Dörfer wurden von den wenigen noch lebenden Bewohnern schließlich aufgegeben und fortan zu Wüstungen. So auch Dersen, der schon immer in vielerlei Hinsicht mit Böhne engverflochtene unmittelbare Nachbarort. (siehe BRAWO vom 22. März 2020)
Die Entstehung des „Kleinen Hofes“
Meyer schreibt: „[dass es] in der Gemarkung um 1560 vier unbewirtschaftete und verfallene Acker- sowie acht Kossatenhöfe gegeben hat. Aus der Hälfte der wüsten Grundstücke 1561 ein neues, weiteres adliges Gut – Der Kleine Hof – entsteht“. Die restlichen Ländereien werden offensichtlich auf höherer Weisung hin auf die sechs Bauern und 10 Kossaten des Ortes aufgeteilt. Eine scheinbar faire Teilung der wüst liegenden Ländereien zu Gunsten der übrigen Landbesitzer des Dorfes. „Doch die [zusätzlichen] Prästationen (Abgaben, Dienstleistungen) waren im Verhältnis zum [gewonnenen] Besitze sehr hoch bemessen“, beklagt Kantor Meyer weiter. Denn die von Briest haben dafür gesorgt, dass ihr neu entstandenes Rittergut von Abgaben und Verpflichtung gegenüber dem Landesherren in Magdeburg weitestgehend entbunden wurde. Diese aber gingen fortan in vollem Umfang ausschließlich zu Lasten der anderen Begünstigten der Gemeinde.1) 2)
Besitzverhältnisse und frühe Eigentümer
Gemäß den Recherchen von Heike Brett gehörten zum „Kleinen Hof“, vor 1618 auch noch Besitzanteile in der Steckelsdorfer Gemarkung, die höchstwahrscheinlich dazu gekauft wurden. Diese wurden aber spätestens nach dem Dreißigjährige Krieg an die von Tresckows weiterverkauft.
Wer als erster Herr auf dem 2. Böhner Rittergut residierte ist heute nicht bekannt. Nachweisbar ist aber, dass zu der Zeit als Jacob von Briest (1631-1703), Besitzer des „Großen Hofes“, die Pläne zur Vertreibung der Schweden aus Rathenow schmiedete, der Rittergutsbesitzer dieses Anwesens Georg Otto von Briest hieß. Er starb im Jahre 1681 in Böhne. In welchem genauen verwandtschaftlichen Verhältnis er zu Jacob von Briest stand, konnte bislang nicht ermittelt werden. Ottos Sohn, Bernhard Friedrich von Briest (? - 1715), war mit Marie Elisabeth von Bredow aus dem Hause Bredow (1675-1736) verheiratet. Aus der Ehe gingen die Kinder Maria Sophia von Briest (1709-1747) und Friedrich Siegesmund (1707-1756) hervor, der das Rittergut als Erbe weiterführte. Seine Söhne Gebhard Friedrich Sigismund (1742-?) und Friedrich Christoph von Briest verkauften schließlich am 16. Juni 1795 den „Kleinen Hof“ an ihre Verwandte, Jenny von Mölledorf geborene von Briest. Sie war die Ur-Ur-Enkelin von Jacob von Briest (siehe BRAWO vom 14. Juni 2020) und brachte die Besitzungen der beiden Briest‘schen Linien in Böhne nach über 230 Jahren wieder zusammen. Der „Kleine Hof“ hatte in der Zeit seiner Existenz nie die Größe und Leistungsfähigkeit des „Großen Hofes“ erlangen können. Dieser erreichte nach Heirat von Jacob von Briest mit Ludmilla Katarina von Ribbeck in den Jahren nach 1654 seine größte Ausdehnung. Beide wurden unter maßgeblicher Einflussnahme des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm I. von Brandenburg zum Herrscher über Nennhausen, Bamme, Lochow, Böhne und Schmetzdorf.
Der Wandel im 19. Jahrhundert
Jennys zweiter Mann, Franz Theodor Ludwig Briesen (1783-1858) führte das vereinte Böhner Rittergut nach 1807 in einen Fideikommiss. Eine damals praktizierte rechtssichere Lösung, die eine Aufteilung des Besitzes auf mehre Personen im weiteren Erbfall ausschloss. Der einstige „Kleine Hof“ wurde nach 1810 zum Wohnsitz der Rittergutsfamilie, während der vormalige „Große Hof“ zum ausschließlichen Wirtschaftshof mit Stall- und Lagergebäuden sowie Wohnsitz des Gutsverwalters bestimmt wurde.
• 1) „Geschichte" - Der Große Kurfürst“ Beitrag: „ Der Pakt mit dem Teufel“ S.38
• 2) „Geschichte in Daten Brandenburg“ S.91
Erschienen mit geringfügigen Änderungen am 2. August 2020 in der BRAWO, Lokalausgabe Rathenow