Kurztext:
Im Sommer des Jahres 1947 wurde der Landpolizist Oskar Meißner nahe Neue Schleuse ermordet. Drei junge Männer erschlugen ihn, als er diese wegen Verdacht auf Felddiebstahle kontrollieren wollte. Meißner wurde in Rathenow-West beigesetzt. 70 Jahre später erinnerte eine Gedenkfeier an den pflichtbewussten Polizisten und die gefährliche Nachkriegszeit.
Polizistenmord vor den Toren von Neue Schleuse
Landpolizist Oskar Meißner hinterrücks ermordet
von Hans-Jürgen Wodtke
Abzweig von der L96 zur B188. Hier geschah in der Nacht des 25. Juli 1947 der Mord an dem Landpolizisten Oskar Meißner. Zum Tatzeitpunkt war der heutige, von der Verbindungsstraße getrennte Hochwald eine geschlossene Kiefernschonung mit jungem Baumbestand. Foto: Wodtke
Der Mord an Oskar Meißner
Ende Juli 1947 erschütterte der grausame Mord an dem Oberwachtmeister der Landespolizei Oskar Meißner die Region. Geschehen ist diese Bluttat nahe der Eisenbahnüberführung nach Rathenow-West, in Höhe des jetzigen Abzweigs von der L96 zur B188. Meisner gehörte zum Landespolizeiposten Neue Schleuse, damals Kreis Jerichow II. Er wohnte bis zu seinem Tode im heutigen Rathenow-West und wurde hier auch auf dem Friedhof bestattet.
Laut Recherchen von Jürgen Albrecht, wurde der am 26. Januar 1901 in Rathenow geborene Oskar Meißner am 28. Juli 1947 auf dem Friedhof von Neue Schleuse beigesetzt. Schon bald verlieren sich die Spuren von Angehörigen, so dass das Grab, laut Zeitzeugen, sporadisch von Neue Schleuser Bürgern bis zu dessen Auflösung gepflegt wurde.
Angespannte Nachkriegszeit
Mit dem Kriegsende nahmen die Gewalttaten in der Region dramatisch zu. In den ersten Wochen und Monaten waren es vor allem Rotarmisten, die für Raub, Mord und Sittlichkeitsdelikte verantwortlich waren. In der nachfolgenden Zeit verschob sich das Täterpotenzial. Jetzt waren es überwiegend Deutsche aber auch einige hier gebliebene frühere Zwangsarbeiter. Die verängstigte und verunsicherte Bevölkerung verlangte immer energischer nach einer schlagkräftigen Polizei. Diesen Forderungen kam die junge Verwaltung in der SBZ (Sowjetische Besatzungszone) im Einvernehmen mit der Kommandantur der SMAD (sowjetische Militäradministration in Deutschland) nach und baute ein dichtes Netz von Polizeistationen auf. So war 1947 praktisch jedem Dorf der Region mindestens ein Polizist zugeteilt.
Hohe Kriminalität trotz Polizeiverordnungen
Trotz flächendeckender Polizeipräsenz belegen die vorliegenden Zeitungsberichte aus dem Kreis Jerichow II für das Jahre 1947 eine hohe Anzahl, auch zum Teil schwerer Straftaten. Diese stehen mit großer Sicherheit ähnlichen Umfangs und Schwere auch beispielgebend für die anderen Kreise der Region.
Polizeikontrolle in einer vom Krieg zerstörten Stadt. Sammlung Wodtke Nach den vorliegenden Unterlagen lässt sich vermuten, dass Vieh- und Felddiebstähle im Sommer 1947 einen Schwerpunkt in der regionalen Kriminalität bildeten. So heißt es in einer Pressemitteilung aus dieser Zeit: „Es ist nötig, im Interesse unserer Ernährung gegen Feld- Garten- und Viehdiebstählen mit allen Mitteln vorzugehen und hohe Strafen anzudrohen. Im Schnellgerichtsverfahren kann dabei auf bis zu fünf Jahre Gefängnis erkannt werden. In Verbindung hiermit steht auch eine Polizeiverordnung des Kreisrates Jerichow II, wonach Unberechtigte das Betreten der Feld- und Waldfluren während der Dunkelheit strengstens verboten ist. Nichtbeachtung der Anordnung wird mit Geldstrafe oder Haft geahndet.“
Verhängnisvolle Tat in einer Sommernacht
Es ist zu vermuten, dass auch Rudi Langner aus Neue Schleuse, Karl Blank aus Steckelsdorf und Wilhelm Sornberger aus Rathenow diese Anordnung kannten. Dennoch haben sie sich nicht davon abhalten lassen in den Nächten auf Beutezüge zu gehen. Bei diesen nächtlichen Aktivitäten waren sie, laut Erinnerung von Zeitzeugen, dem Oberwachtmeister Oskar Meisner aufgefallen. Dieser hatte sie, da sie sich kannten, lediglich verwarnt und bei Wiederholung mit Festnahme gedroht. In der Nacht des 25. Juli 1947 trafen die vier, nahe dem Bahnübergang Bölkershof, auf der damaligen Jerichower Landstraße (heute Böhner Chaussee) zwischen Böhne und Neue Schleuse, erneut aufeinander. Zeitzeugen wollen erfahren haben, dass Meißner bei der Kontrolle eines vom Trio mitgeführten Sackes in diesem eine erhebliche Menge abgeschnittener Getreideähren fand. Er verhaftete darauf die Drei, versäumte es aber wohl sich ausreichend gegen tätliche Übergriffe zu schützen. Das nutzten die Verhafteten aus und schlugen den Landpolizisten nieder. Anschließend schleppten die drei jungen Männer den offensichtlich bewusstlosen Meißner in ein nahe gelegenes Waldstück und überließen ihn dort seinem weiteren Schicksal. Am nächsten Morgen, so berichten Zeitzeugen, entdeckte der in Böhner wohnende Schrankenwärter Gustav Brennecke auf seinem Nachhauseweg unweit seiner Arbeitsstelle eine Blutlache auf der Straße. Eine Schleifenspur führte in die angrenzende Kiefernschonung. Hier fand er schließlich, den laut amtlichem Rathenower Sterberegister gegen 2:00 Uhr seinen schweren Verletzungen erlegenen, Landpolizisten Meißner.
Ermittlungen und Festnahmen
Die Ermittlung der Täter muss damals sehr schnell gegangen sein. So erinnert sich eine Zeitzeugin, dass Rudi Langner bereits am nächsten Tag verhaftet wurde. Am 4. August 1947 berichtete die Genthiner „Volksstimme“ offiziell: „am 25. Juli 1947 wurde der Oberwachtmeister der Landpolizei Oskar Meißner in Ausübung seines Dienstes bei der Festnahme von Felddieben durch die drei Täter Langner, Blank und Sornberger niedergeschlagen, bestialisch ermordet und beraubt. Die Täter konnten festgenommen und überführt werden. Sie gehen jetzt ihrer gerechten Strafe entgegen.“ Laut Zeitzeugen hatten die Drei beim Durchwühlen der Habseligkeiten ihres Opfers dessen Notizbuch übersehen. In diesem waren auch ihre Namen, Adressen und die Verwarnung durch Meißner aufgeführt. Diese Daten haben dann die ermittelnden Polizisten offensichtlich rasch auf die Spur des Trios geführt.
Urteil: Todesstrafe
Entgegen eines weiteren, bereits Anfang Juli 1947 beim Ort Vehlen, verübten Polizistenmord an dem Wachtmeister Hermann Alex aus Schlagenthin konnten in der Presse des Jahres 1947 keine Angaben zu einem Urteil der Meißner-Mörder gefunden werden. Es liegt aber nahe, wie auch Zeitzeugen übereinstimmend behaupteten, dass die drei zum Tode verurteilt und hingerichtet wurden. Zumal dieses Schicksal den Mörder von Hermann Alex, Werner Golz aus Genthin, laut Pressemitteilung vom 25. November 1947, ereilte. Belegt ist heute lediglich, dass Rudi Langner per 11. November 1948 von den zuständigen Stellen der damaligen Landesregierung in Magdeburg für tod erklärt wurde.
Weitere tragische Ereignisse in der Region
Die Landpolizei des Kreises Jerichow II hatte, laut eigenen Angaben, in nur wenigen Tagen zwei ihrer besten Polizisten verloren. Doch es sollte für die Behörde noch schlimmer kommen. Kurz vor Weihnachten 1947, so schreibt der einstige Forstassessor Hubert Hundrieser von Hohenheide in seiner Autobiografie, erschoss sich der nach außen „besonders fleißig“ erscheinende Vieritzer Landpolizist Madrian. Ihn hatte zuvor seine Frau, die seine ständigen Misshandlungen nicht mehr ertragen konnte, bei der sowjetischen Kammerkommandantur als SS Führer angezeigt. Als das Verhaftungskommando vor dem Haus erschien, erschoss sich Madrian mit seiner eigenen Dienstwaffe, um so seiner Verhaftung zu entgehen. Laut Hundrieser, soll der einstige SS Führer in seiner kurzen Dienstzeit in Vieritz drei Männer aus dem Ort bei der Kommandantur der SMAD denunziert und damit deren Tod billigend in Kauf genommen haben.
Quellen:
• Pressemitteilungen in der Genthiner „Freiheit“ und „Volksstimme“ aus dem Jahre 1947
• Hubert Hundrieser, „Grünes Herz zwischen Hoffnung und Abschied“,Wage Verlag, 2005
• Helmut Koch, Alfons Stachowiak u.a.,"Erinnerungen "
• Jürgen Albrecht, diverse Recherchen
• Sterberegister der Stadt Rathenow
Erschienen mit geringfügigen Änderungen am 30. Juli 2017 in der BRAWO Lokalausgabe Rathenow