Kurztext:
Im April 1845 entging Böhne nur knapp einer Katastrophe: Nach einem Deichbruch bei Fischbeck bedrohten Elbefluten das Dorf. Mit Mut und Gemeinschaftsgeist errichteten die Bewohner einen schützenden Wall – und retteten Böhne vor dem Untergang……..
April 1845: Unsere Region versinkt im Elbehochwasser
Böhne - nur knapp einer Katastrophe entgangen
von Hans-Jürgen Wodtke
Hochwasser im Havelland. Quelle: Rathenower Heimatkalender 1963 Eine Nacht voller Bedrohung
In der Nacht vom 1. auf den 2. April 1845 steuerte unsere Region einer Katastrophe entgegen. Kurz zuvor war bei Fischbeck der Elbdeich gebrochen. Nun wälzten sich die alles verschlingenden Wassermassen auf breiter Front der Havel entgegen. Der um Böhne in einem großen Bogen herumfließende und ansonsten träge dahinplätschernde Königsgraben wurde zum alles mit sich reißenden Strom. Das Haveldorf war nur rund neun Jahre zuvor fast vollständig abgebrannt. Nun kaum wieder aufgebaut drohte den geplagten Menschen erneut großes Unheil. Doch die Dorfbewohner stemmten sich mit aller Kraft gegen die Wassermassen und wurden für ihren Mut schließlich belohnt.
Der Winter 1844/45 war sehr streng und schneereich. Als Ende März das Wetter plötzlich umschlug, stieg der Pegel der Elbe rasch an und versetzte die Elbanrainer schon bald in Unruhe. Dagegen behielt die Havel ihren verhältnismäßig niedrigen Wasserstand. Damit erschienen den Havelbewohnern die von der Elbe herüberdringenden gefahrverkündenden Nachrichten kaum glaubhaft.
Warnung in letzter Minute
So erging es auch dem Böhner Gastwirt Dalchau, der mit seiner Frau am Dienstag, dem 31. März 1845, auf Verwandtenbesuch in Kabelitz war und dabei auch den Nachbarort Fischbeck aufsuchte. Was er hier erlebte, schildert der Böhner Kantor Meyer in seinen Aufzeichnungen wie folgt: „Die Krone des Deiches stand voll emsig beschäftigter Menschen, denen Dalchau ob ihres Gebarens von unten lachend zusah. Die aber riefen ihm zu, er glaube wohl noch nicht recht an die Gefährlichkeit der Lage, er möge nur heraufkommen. […] Als er oben ankam und sich nun überzeugte, dass das Wasser bereits so hochstehe, dass es mit einem Finger über die Krone des Deiches geleitet werden konnte, da ergriff ihn Entsetzen und seine kecke Zuversicht machte einer ängstlichen Beklemmung Raum. Er eilte vom Damm und fuhr, so schnell die Pferde vorankonnten heim. Noch in derselben Nacht kam eine Stafette, um aus [Böhne] Hilfe zur Abwehr der Gefahr zu requirieren. Trotz aller aufgebotenen Anstrengungen brach das Wasser am Mittwoch, dem 1. April durch. Am Donnerstagmittag kamen die Elbefluten in rasender Schnelle daher gebraust. Der Königsgraben war […] nicht imstande, die ganze sich heranwälzende Wasserflut aufzunehmen. Letztere überschwemmte Wald und Flur und stürzte dem Bett der Havel zu, welches bekanntlich hier ziemlich 4 m tiefer liegt als das der Elbe. Weit und breit ward die ganze Niederung mit dem Wasserschwall erfüllt. Damit derselbe sich nicht auch ins Dorf ergieße, ward in aller Eile vor dem Westende des Dorfes ein Wall aufgeworfen, der die Flut den Eintritt [ver]wehrte.
Das Wasser stieg schnell und unaufhörlich. Alles war auf den Beinen und traf Vorkehrungen für schlimme Eventualitäten, denen man beklommenen Herzens entgegensah. Um 1 Uhr trat Stillstand ein. Man atmete erleichtert auf, dankte Gott für Abwendung größerer Gefahr, und überließ sich nach der fieberhaften Aufregung und gewaltsamsten Anstrengung einer erquicklichen Ruhe.
Nur knapp der Zerstörung entgangen
Böhne war [nun] ringsum von Wasser umflutet, zwischen hier und Bützer, Vieritz, Bukow, Rathenow eine [einzige] weite Wasserfläche. Drei Tage lang dauerte die Wasserzuflut von der Elbe her, […] dann vernahm man das Rauschen nicht mehr. Der Abfluss begann und nach 14 Tagen waren die Felder mit Ausnahme der Niederungen wieder entleert.“
Jetzt stand fest, dass der gerade erst zum Teil wieder aufgebaute Ort einer erneuten Katastrophe nur knapp entgangen war. Möglicherweise erfolgte der Besuch des Gastwirtes Dalchau am Fischbecker Elbdeich gerade zur rechten Zeit. Im Heimatort wieder angekommen, konnte niemand den Dorfbewohner den Ernst der Lage besser klar machen als er. So hatten die Böhner offensichtlich noch, nun bestens informiert, die Zeit das Unmögliche zu versuchen, die Wassermassen vom Dorf fern zu halten. Der eilig unter Aufbietung aller Kräfte aufgeschüttete kleine Wall zwischen Königsgrabenniederung und Dorf sollte dieses schützen. Das dieser Versuch schließlich gelang wurde fortan als ein Wunder in der Dorfgeschichte angesehen. Ein Glücks-fall, der nur wenigen Orten der Region damals zu Teil wurde. Doch der Schaden, den das Wasser außerhalb des Dorfes angerichtet hatte, war trotz allem groß genug.
Die nach der großen Flut von 1845 neu errichtet Königsgrabenbrücke nördlich von Böhne. (heute L96) Vom Königsgraben drohte dem Ort damals böse Gefahr. Sammlung Wodtke
Kantor Meyer schreibt hierzu: „Sämtliche Brücken über den Königsgraben waren fortgerissen und weggeschwemmt, auch das in der Gutsforst im Pappert aufgestapelt gewesene Holz war in alle Welt entführt. Die Trifft vor dem Dorfe nach Rathenow zu war nicht zu passieren. Die Flut hatte 12 Fuß (etwa 3,75 m) tiefe Löcher von ziemlicher Breite hineingerissen. […] Die Upstallwiesen (Wiesen vor dem Dorf) waren so stark versandet, dass sie abgekarrt werden mussten, und der Acker so aufgeschwemmt, dass er erst geraume Zeit nachher trocken genug ward zur Sommerbestellung. Wegen der verspäteten Bestellung aber kam das Sommerkorn gar nicht recht zur Entwicklung und brachte eine Missernte. Der Wintersaat dagegen hatte die Überschwemmung nicht geschadet, und der Futtergewinn war nicht allein der Menge, sondern auch der Beschaffenheit noch ganz ungewöhnlich gut.“
Erinnerung an 1845
Als der Elbdeich 2013 erneut bei Fischbeck brach, erinnerten sich die Alten wieder an die Ereignisse von 1845. Doch bei diesem verheerenden Hochwasser hatte dieses Mal nicht nur Böhne, sondern die gesamte Region Glück. Dennoch ist uns allen nachhaltig bewusst geworden, was für eine zerstörerische Kraft, welches menschliche Leid, eine derart ungebändigte Wasserflut nach wie vor entwickeln kann.
Quelle:
• Kantor Meyer, persönliche Aufzeichnungen, 1850 -1886
• Hans-Jürgen Wodtke, „Hölzerne Königsgrabenbrücke bei Elbeflut fortgerissen“, BRAWO 22.06.16
Erschienen mit geringfügigen Änderungen am 12. April 2020 in der BRAWO, Lokalausgabe Rathenow