Kurztext
Im April und Mai 1945 kam es am Ostufer bei Tangermünde zu heftigen Kämpfen zwischen amerikanischen, sowjetischen und deutschen Truppen. Die deutsche 12. Armee unter General Wenck zog sich aus Osten kommend zur Elbe zurück, um Soldaten und deutsche Zivilisten vor sowjetischer Gefangenschaft zu den Amerikanern zu retten. Ab dem 5. Mai gelang Zehntausenden die Flucht über den Fluss. Mit dem sowjetischen Vormarsch am 7. Mai bis zur Elbe brach die inzwischen schwache Verteidigung am östlichen Elbufer zusammen und Soldaten, denen nicht die Elbüberquerung gelungen war, gerieten in sowjetische Gefangenschaft…………..
Flucht über die Elbe
Dramatischen Ereignisse kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs
von Hans-Jürgen Wodtke
Angriff auf Tangermünde und Zerstörung der Elbbrücken
Am 12 4.1945. dem Todestag von US-Präsident Franklin Roosevelt, griffen die amerikanischen Truppen Tangermünde an. Etwa 800 Soldaten, zumeist blutjunge deutsche Soldaten, stellten sich den US-Truppen entgegen. Trotz fanatisch geführter Kämpfe mussten die Wehrmachtseinheiten ihren Kampf im Laufe des Tages aufgeben Dennoch wurden um 15:50 Uhr und 18:30 Uhr beide Tangermünder Brücken über die Elbe von deutschen Sprengkommandos zerstört, diese Maßnahme sollte das weitere Vorrücken der Amerikaner erschweren.
Flucht deutscher Soldaten Anfang Mai 1945 über die zerstörte Tangermünder Brücke in amerikanische Gefangenschaft. Sammlung Wodtke
Die Verteidigung der Region entlang der mittleren Elbe wurde der deutschen 12. Armee, unter dem Oberbefehl von General Walther Wenck, übertragen. Während in der folgenden Zeit einige Einheiten zur Sicherung auf der Ostseite der Elbe, so auch im Elb-Havel-Winkel verblieben, bewegte sich die Hauptmacht der Armee Immer weiter in Richtung Osten.
Am 16.4.1945 gelang es Teilen der sowjetischen 1. Weißrussischen und der 1. Ukrainischen Front im Raum von Küstrin und Guben die Oder zu überqueren Damit war es der Roten Armee gelungen, die Verteidigungslinien der Wehrmacht zu durchbrechen, und sie konnte nun auf die deutsche Reichshauptstadt vorstoßen. Ab dem 20.4.1945 begann die Rote Armee mit dem Artilleriebeschuss Berlins. In den nächsten Tagen wurde die deutsche Hauptstadt komplett ein geschlossen.
Hitlers Befehl zum Entsatz Berlins und das Scheitern des Angriffs
Die deutsche 12. Armee erhielt von Hitler den Befehl, sich von der Elbe nach Berlin durchzukämpfen. Am 24.4.1945 überrannten Einheiten der Armee bei Beelitz die sowjetischen Stellungen. Dagegen stand einen Tag später, weiter nordwestlich, die Rote Armee vor Rathenow. In der Nähe von Ferch bei Potsdam musste General Wenck mit seinen Truppen am 28 4.1945 wegen zu starker Gegenwehr den Entsatzangriff auf Berlin abbrechen. Der Armee gelang es aber am 1. Mai 1945 noch etwa 20 000 Soldaten der 9. Armee aus dem Kessel von Halbe und die Korpsgruppe Reimann aus Potsdam aufzunehmen. Ihr anschließender Ruckzugsweg verlief durch die Regionen Branden bürg/ Havel - Genthin - Rathenow und weiter in Richtung Tangermünde. Der Armee-Gefechtstand der 12. Armee befand sich am 1.5.1945 im heute zu Wulkow gehörenden Hohenbellin. Hier arbeitete man fieberhaft an einer Lösung, um möglichst viele der noch übrig gebliebenen Soldaten der 9. und 12 Armee vor der Gefangennahme durch die Rote Armee zu bewahren.
Durchbruch der sowjetischen Verbände bei Havelberg
In den frühen Morgenstunden des 2.5.1945 wurde die Front bei Havelberg von sowjetischen Einheiten durchstoßen. Nach verlustreichen Kämpfen konnten am Nachmittag deutsche Einheiten das weitere Vordringen der Roten Armee in Richtung Tangermünde stoppen. Zwischenzeitlich befahl General Wenck den Rückzug aller Truppen zur Elbe. Diese zogen sich daraufhin in Absetzbewegungen kämpfend, in Richtung Westen zurück. Am 4.5.1945 kam es im Raum Schollene - Molkenberg - Großwudicke - Zollchow - Schmetzdorf in den Vormittagsstunden zum letzten großen Gefecht im Elb-Havel-Winkel. Innerhalb von vier Stunden verloren auf einem Areal von nur 28 km2 2.700 deutsche, sowjetische und polnische Soldaten ihr Leben.
Ab dem Mittag des 3.5.1945 führten Abgesandte der 12. Armee mit dem Stab des 9. amerikanischen Armeekommandos in Stendal Verhandlungen zur Kapitulation der deutschen Einheilen und der Überführung der kämpfenden Truppenteile über die Elbe in amerikanische Gefangenschaft. Der von deutscher Seite ebenfalls gewünschte Übergang von möglichst vielen deutschen Zivilisten wurde von den Amerikanern strikt abgelehnt.
Übergang über die Elbe in die Gefangenschaft
Mit den frühen Morgenstunden des 5. Mai 1945 begann das Übersetzen der deutschen Einheiten über die Elbe. Die Amerikaner hatten dazu zuvor die Benutzung der zerstörten Elbbrücke bei Tangermünde im Fußgängerverkehr sowie den Fährverkehr bei Schönhausen, Tangermünde und Ferchland erlaubt.
Ab dem 6. 5. 1945 lag der immer kleiner werdende Kessel zwischen Havelberg und Ferchland in Reichweite der sowjetischen Artillerie. Dabei kam es auch zum Beschuss amerikanischer Stellungen auf der Westseite der Elbe. Daraufhin räumten die Amerikaner diese fluchtartig und ermöglichten so tausenden von Zivilisten die Flucht auf die Westseite des Flusses. Damit haben diesen Menschen nicht die Amerikaner, sondern ungewollt die Rotarmisten den Weg in die von ihnen erhoffte Freiheit geöffnet.
Panik an der Elbe nach Schließung des Kessels
Einheiten der sowjetischen 1. Weißrussischen und 1. Ukrainischen Front unter dem Befehl der Marschälle Georgie Shukow und Iwan S. Konew stießen am 7.5.1945 bis zur Elbe vor. Dadurch wurde die Ansammlung von deutschen Soldaten und Zivilisten in die Kessel von Schönhausen. Fischbeck und Ferchland geteilt.
Nach Aufzeichnungen des Jerichowers Helmut Gralow hielten sich zu diesem Zeitpunkt etwa 500.000 Menschen rund um die Stadt auf. Eine unglaubliche Menschenmenge, die sehnlichst und panisch vor Angst nach Lösungen suchte, lebend über den Fluss zu kommen. Laut General Wenck gelang es, etwa 100.000 Soldaten und 300.000 Zivilisten überzusetzen. Der amerikanische General Moore nannte dagegen nur 65.000 Soldaten, 6.000 Verwundete und 100.000 Zivilisten.
Doch nicht für jeden, der sich auf der Westseite bereits in Sicherheit fühlte, war der Albtraum vorbei. Denn im Laufe des 8. Mai wurden etwa 10.000 deutsche Soldaten, die sich in amerikanische Kriegsgefangenschaft begeben hatten, wieder über die Elbe zurückgeführt und an die Rote Armee übergeben.
Quellen:
• Hans-Jürgen Wodtke, „Die letzten Tage im Krieg und die ersten Wochen im Frieden in der Region
um Rathenow“, Rathenower Heimatbund e.V.
• Helmut Gralow, „Ich war erst 15 Jahre alt“, private Aufzeichnungen
• Ingo Bading, „Das Kriegsende in den Dörfern des Havelbogens - Studie zu den letzten Kämpfen des
zweiten Weltkrieges“, Eigenverlag
Erschienen mit geringfügigen Änderungen am 17. April 2015 in der BRAWO, Lokalausgabe Rathenow