Kurztext:
Das einst prächtige Herrenhaus der Familien von Briest, Briesen und von Kluge in Böhne, um 1800 erbaut, überstand Brände, Kriege und Plünderungen. Heute ein schlichtes Wohnhaus ist vom einstigen Glanz des sogenannten „Böhner Schlosses“ nur wenig geblieben.
Vom strahlenden Bauwerk zum grauen Entlein
Die Geschichte des „Böhner Schlosses“
von Hans-Jürgen Wodtke
Blick in den Böhner Schlosshof mit Herrenhaus, Mitte der 1930er Jahre (li) und heutige Ansicht. Sammlung Wodtke Kein echtes Schloss – aber ein fester Begriff
Genau genommen hat es in Böhne nie ein Schloss gegeben. Damit ist die dortige Bezeichnung Schlosshof eigentlich auch nicht korrekt. Dennoch hat sich dieser Begriff seit Jahrzehnten bei den Menschen im Ort eingebürgert. Gemeint ist das Areal etwas abseits der Rathenower Straße, auf dem sich das Herrenhaus der vormals hier residierenden Adelsgeschlechter von Briest, Briesen und von Kluge befindet. Erbaut wurde der Herrensitz um 1800 von der verwitweten Johanne (Jenny) Christiane Dorothea Friederike von Möllendorff geb. von Briest.
In dem Buch „Herrenhäuser des Havellandes" beschreibt Dieter Seidel das den Hof prägende Haus als ein spätbarockes zweiflügeliges Gebäude mit je sechs asymmetrisch angeordneten Fensterachsen. Auf der Hofseite befanden sich vor einem der beiden Eingänge zwei Standbilder mit Rehen. Beide Gebäudeteile besaßen ausgebaute Mansardendächer mit Fledermausgauben. Die Westseite des Hofs wurde durch ein weiteres Gebäude, die Orangerie, begrenzt. Laut Böhner Dorfchronik gehörte zum Herrschaftsbesitz auch eine an den Hof angrenzende Parkanlage mit wertvollem Baumbestand und einige weitere Dienst- und Gesindehäuer.
Mit Franz Theodor Ludwig Briesen, welcher die verwitwete Jenny von Möllendorff im Jahre 1807 heiratete, verschwand endgültig der Name von Briest. Wenngleich der 1808 geborene gemeinsame Sohn, Robert Briesen d. Ä., noch den Beinamen Briest von Briesen tragen durfte.
Der große Dorfbrand von 1836
Während der fürchterliche Dorfbrand von 1836 fast den gesamten Ort vernichtete, richtet dagegen das Großfeuer keinen nennenswerten Schaden bei den Gebäuden auf dem Schlosshof an. Lediglich einige zum Gutsbezirk zählende Katen und der Park, so die Böhner Chronik, wurde vom Feuer schwer heimgesucht.
Das abgebrannte Böhne wurde in den nächsten Monaten zügig nach den Vorgaben der Rittergutsbesitzer Briesen wieder aufgebaut. So entschieden diese unter anderem auch, dass die abgebrannten Höfe in den Bereichen des heutigen Dorfplatzes und Rathenower Straße 3 nicht wieder aufgebaut werden durften. Die freigehaltenen Flächen beanspruchte von nun an Briesen für sich. In der Folge entstanden dort eine Garten- und Parkanlage. Zudem konnte eine bis dato nicht bestehende direkte räumliche Verbindung des Herrensitzes mit dem auf der östlichen Seite der Dorfstraße gelegenen Wirtschaftshof mit Schwedenhaus hergestellt werden.
Der Dienstwagen des Generalfeldmarschalls Günter von Kluge vor dem Familienwohnsitz in Böhne (Juli 1949), Sammlung WodtkeDie Zeit der Familie von Kluge
Im Jahre 1894 trat Robert Briesen d.J., der später als Rittmeister a.D Robert Briesen in die Geschichte einging, das Erbe seines verstorbenen Vaters an. Er ließ in den 1920er Jahren für seine Lebensgefährtin ein Wohnhaus, heute Rathenower Straße 3, errichten. Mit seinem Tode, im Jahre 1930, vererbte er seinen Besitz an seine Nichte, Mathilde von Kluge, geb. von Briesen. Diese bewohnte von nun an mit ihrer Familie den Herrensitz.
1938 erschien eine Filmcrew auf dem Kluge'schen Besitz, um sich für die geplante Verfilmung des Fontaneromans Effi Briest das Briest'sche Herrenhaus anzusehen. Doch den Filmleuten erschien das Gebäudeensemble für ihre Zwecke als zu wenig imposant und damit für nicht geeignet.
Am 20. Juli 1940 rückte der Schlosshof erneut in das Interesse der Öffentlichkeit. Die Menschen der Region empfingen an diesem Tage den frisch ernannten Generalfeldmarschall und Herrn von Böhne, Günther von Kluge. Einige Zeit später ließ dieser für seine Familie neben dem Herrenhaus einen Luftschutzbunker errichten. In der Folgezeit trafen sich bei den von Kluges immer wieder Hitlergegner zum konspirativen Gedankenaustausch.
Kriegsende und Nachkriegszeit
Am 5. Mai 1945 besetzte die Rote Armee Böhne und quartierte sich auch im Herrenhaus ein. Mehrere Tage diente das Gebäude als Lazarett bis es dann, von Rotarmisten und Einheimischen zuvor geplündert, Wochen später eine Wohnunterkunft für Flüchtlinge wurde. Später machte man aus einem großen Raum im Haus ein Klassenzimmer. Diese glückliche Fügung bewahrte die spätbarocke Zweiflügelanlage vor deren Zerstörung. Denn gemäß SMAD-Befehl Nr. 209 vom September 1947 sollten einstige Herrenhäuser und Gutsgebäude zur Gewinnung von Baumaterialien für neu zu errichtende Wohn- und Wirtschaftsgebäude im Zuge der Bodenreform abgebrochen werden.
Heute, als reines Wohnhaus, ist vom Charme des einstigen Herrenhauses nicht mehr viel übriggeblieben. Dieter Seidel schreibt dazu: „Unter annähernder Beibehaltung der Achsen hat man die Fenster rigoros verkleinert und die Fledermausgauben im unteren Teil des Dachstuhls durch moderne Dachfenster ersetzt. Durch den Einbau neuer Türen und die Verwendung von Grauputz vermittelt die Fassade des ehemals nostalgisch anmutenden Anwesens Nüchternheit."
Fazit
Das sogenannte „Böhner Schloss“ mag nie ein echtes Schloss gewesen sein – doch seine Geschichte erzählt vom Wandel einer ganzen Region: vom Glanz des Landadels über Krieg und Neubeginn bis hin zur nüchternen Gegenwart eines Hauses, das Böhne bis heute prägt.
Quellen:
• Böhner Dorfchronik
• Almut Andrae, Udo Geiseler, „Herrenhäuser des Havellandes", Lukas Verlag 2001
• Hans-Jürgen Wodtke, „Vor 177 Jahren brannte Böhne fast ganz nieder", MAZ vom 29. August 2013
• Hans-Jürgen Wodtke, „Jubelspektakel auf dem Böhner Schlosshof", BRAWO vom 19. Juli 2015
Erschienen mit geringfügigen Änderungen am 5. Juni 2016 in der BRAWO, Lokalausgabe Rathenow