Kurztext:
Nach dem verheerenden Brand von 1836 wurde die Dorfkirche Böhne dank überregionaler Unterstützung und intensiver Mithilfe der Dorfbevölkerung in nur dreieinhalb Monaten neu errichtet. Durch Wiederverwendung bereits genehmigter Baupläne für die Kirche in Klein Wusterwitz gelang ein einzigartiger Kirchen-Blitzbau.
Kirchen-Blitzbau durch Wiederverwendungsprojekt
Gemeinsame Anstrengungen führten nach Dorfbrand zum Erfolg
von Hans-Jürgen Wodtke
Mit ihren weniger als 200 Jahren zählt die Böhner Dorfkirche zu den jüngeren Kirchen der Region. Ein verheerender Dorfbrand hatte den alten Bau am 28. August 1836, wie fast den gesamten Ort, in Schutt und Asche gelegt. Nur gut zwei Jahre später konnten die Böhner die Einweihung ihrer neuen Kirche feiern.
Zwillinge- die Dorfkirchen im havelländischen Böhne und anhaltinischen Klein Wusterwitz. Sammlung Wodtke
Ein neugotisches Schmuckstück
Der Pfarrer der Kirchengemeinde, Christoph Seydich, beschreibt das Gotteshaus und dessen Lage so: „Wenn man nach Böhne kommt, fällt einem die hübsche neugotische Dorfkirche mit ihren dunkelroten Ziegelsteinen gleich ins Auge. Auf dem Turm trägt die Wetterfahne die Jahreszahl ihrer Erbauung: 1838. Um sie herum besteht ein sehr schöner kirchlicher Dorffriedhof. Zu den Gottesdiensten laden die Glocken ein, und es spielt die renovierte Orgel."
Das Kirchengebäude besteht aus einem rechteckigen Längsschiff mit acht bleiverglasten Spitzbogenfenstern. Diesem ist auf der Westseite ein mit Schiefer gedeckter quadratischer Glockenturm mit zwei Glocken vorgeordnet. Betritt man das zweigeteilte Kirchenschiff, so kommt man zunächst in die unter der Orgelempore eingerichtete Winterkirche. Der angrenzende Kirchensaal, der eigentliche Altarraum, wird durch eine in U-Form umlaufende Empore gegliedert. Die schlichte Innenausstattung des Raumes ist von einer schmucklosen Flachdecke aus Holz überspannt. Der Ostgiebel besaß ursprünglich direkt hinter dem Altar, eine Tür und ein darüber angeordnetes Rosettenfenster. Diese wurden bereits vor Jahren entfernt und sind heute als Nischen im Mauerwerk noch gut zu erkennen. Sowohl der sechsseitige Kanzelkorb wie auch die Altarwand und das Taufbecken mussten nach dem Brand neu angeschafft werden. Denn aus dem alten brennenden Kirchenbau konnten lediglich die Altarbibel, das Altarkreuz und zwei Leuchter gerettet werden. Selbst die einstigen hier montierten, schweren Bronzeglocken schmolzen in der Hitze des Feuers und verklumpten mit Ziegelsteinen zu einem acht Zentner schweren Brocken.
Hilfe aus ganz Preußen
Für die Menschen im Dorf war die Lage nach dem Großbrand verheerend. Die meisten von ihnen hatten alles verloren und suchten nun Schutz in den wenigen noch intakten Gebäuden im Ort oder flohen zu Verwandten in die Nachbarorte. Jeder hatte in dieser Situation mit sich und den Seinen, mit dem nackten Überleben zu tun. Und trotzdem wollten alle, dass ihre Kirche wieder schnell aufgebaut werden sollte. Dazu heißt es in der Böhner Dorfchronik: „Deshalb wandten sich Dorfpatron und Dorfpfarrer mit einer Bittschrift um Hilfe an den preußischen König Friedlich Wilhelm III., der zugleich Überhaupt der evangelischen Kirche war. Und dieser half ihnen schließlich, indem er in ganz Preußen in allen Gottesdiensten eine Kollekte anordnete. Und so wurde überall, von Aachen bis Königsberg, an einem festgesetzten Sonntag von der Kanzel aus vom Dorfbrand in Böhne erzählt, und die Leute gaben Pfennige, Sechser, Groschen und ganze Thaler, damit die Kirche in Böhne wieder aufgebaut werden konnte. Insgesamt kamen damals 4.687 Thaler zusammen.“
Wiederverwendung bereits vorhandener Baupläne
Damit war die Finanzierbarkeit des Kirchenneubaus gesichert. Nun konnten Planung und Bau beginnen und nach Möglichkeit sollte es die am schnellsten erbaute Kirche des Elb-Havel-Winkels, wenn nicht von ganz Preußen werden. Dazu bediente sich das kirchliche Bauamt eines Tricks. So entwarf man keine neue Kirche, sondern nutzte bereits vorliegende und genehmigte Bauunterlagen. Diese stammte im Entwurf vom Regierungsbaurat Lücke aus Berlin, wurden anschließend vom preußischen Oherlandesbaudirektor und Architekt des Königs, Karl Friedrich Schinkel, redigiert und geringfügig verändert. Vorgesehen waren die Pläne ursprünglich für den Ersatzbau der alten Dorfkirche in Kleinwusterwitz. Jetzt beschloss man, dieselbe Kirche noch einmal in Böhne zu bauen, um damit Geld zu sparen und vor allem die lange Planungsphase zu überspringen.
Die Bevölkerung des Haveldorfes war über diese Entscheidung sehr glücklich und unterstützte die Baumaßnahmen nach ihren Kräften. So fuhren sie den benötigten Bausand vom nahe gelegenen Pappert an und transportierten die Mauersteine von der Rathenower Ziegelei Ludwig Borchmann zur Kirchenbausteile.
Die Anstrengungen aller trugen schnell Früchte, denn im Juni 1838 mit dem Kirchen- und Turmbau begonnen, konnte bereits am 20. September 1838 die Weihung des neuen Gotteshauses mit einem Festakt erfolgen. Zu diesem Akt schrieben die Böhner die Geschichte vom Dorfbrand und der Wiederauferstehung der Kirche auf. Das Dokument hinterlegte man dann für die Nachwelt in der Kugel auf der Kirchturmspitze.
Alte Innenansicht der Böhner Kirche vor ihrem Umbau in den 1970er (?) Jahren. Sammlung Wodtke
Schnellste wiederaufgebaute Kirche der Region
Die Kirche von Böhne wurde in ungefähr dreieinhalb Monaten erbaut und kann sich damit wohl mit Fug und Recht um den Titel der am schnellsten gebauten Kirche der Region bewerben": so Pfarrer Christoph Seydich in seinen Erinnerungen zur 175-Jahrfeier der Wiedererrichtung der Böhner Dorfkirche.
Quellen:
• Pfarrer Meyer, „Böhner Dorfchronik“
• Pfarrer Christoph Seydich „Von den Toten auferstanden" in BRAWO vom 25. August 2013
• Hans-Jürgen Wodtke, „Vor 177 Jahren brannte Böhne fast ganz nieder" in MAZ, Westhavelländer
vom 29. August 2013
• Pfarrer Christoph Seydich,“ Für Böhne in ganz Preußen gespendet" in RRAWO vom 1. Sept. 2013
Erschienen mit geringfügigen Änderungen am 29. Mai 2016 in der BRAWO, Lokalausgabe Rathenow