Kurztext: Eine Böhner Arbeitsgruppe erforschte historische Flur- und Gebietsbezeichnungen der Gemarkung anhand alter Karten und Quellen. Bodenreform, Melioration und Veränderungen im Havelverlauf führten zu tiefgreifendem Wandel. Die Ergebnisse wurden neu bewertet, dokumentiert und in einer eigens erstellten Gemarkungskarte anschaulich zusammengefasst.
Böhner Gemarkung im Wandel
Bemerkenswertes aus den letzten 250 Jahren wieder entdeckt, neu bewertet und dokumentiert
von Hans-Jürgen Wodtke
Für die uns umgebenden Felder, Wälder, Seen und Flure sind mitunter Bezeichnungen gebräuchlich die uns manchmal schon recht unlogisch erscheinen. Unter der Federführung von Gerhard Michael hat sich eine kleine Gruppe von Böhner Senioren mit diesen von Generation zu Generation weitergegebenen Begriffen für die Böhner Region beschäftigt. Jetzt liegt das Ergebnis der Arbeitsgruppe vor und brachte, neben Bekanntem, auch zahlreiches Neues und überaus Erstaunliches zutage.
Nördliche Böhner Gemarkung mit Flurnamen aus drei Epochen. Grafik Wodtke
Historische Quellen und Kartenmaterial bildet Forschungsbasis
Die Hobbychronisten konnten sich bei ihren Untersuchungen auf eine Landkarte der Böhner Region von 1795 sowie lokale Aufzeichnungen von 1862 und weiterführendes Kartenmaterial aus den darauffolgenden Jahren stützen. Dabei entpuppte sich schnell das älteste Kartenmaterial mit den zahlreichen darauf enthaltenen Einträgen zu einem besonderen Glücksfall. Denn hier waren die vor rund 250 Jahren gebräuchlichen Benennungen für die wichtigsten Flurstücke der Böhner Gemarkung lagerichtig vermerkt. So lieferte die historische Karte einen belastbaren Grundstock für die weiterführenden Untersuchungen.
Veränderungen ermittelt und dokumentiert
Beim Vergleich des historischen Kartenmaterials aus dem 18.- und 19. Jahrhundert mit aktuellen Landkarten ist unverkennbar, dass sich unsere Region mit Mitte des 20. Jahrhunderts zum Teil stark verändert hat. Ursachen sind hier zum einen die 1945/46 angeordnete Bodenreform und zum anderen die in den späten 1970er Jahren durchgeführten großflächigen Meliorationsmaßnahmen. Im Ergebnis dieser einschneidenden Veränderungen wurden seit Jahrhunderten bestehende Eigentumsgrenzen, der Verlauf landwirtschaftlicher und kommunaler Wege sowie der Zuschnitte von Acker- und Wiesenflächen zum Teil dramatisch verändert. Das führte auch in zahlreichen Fällen zur Umbenennung von althergebrachten Gebiets- und Flurbezeichnungen.
Flurnamen im Wandel
So wurde beispielsweise aus den historisch belegten „Mahten“ die aktuell verwendeten „Vormaten“. Es handelt sich hierbei um eine größere Ackerfläche, mitten im Wald gelegen, wo auf dem leichten Boden das Getreide wohl schon immer als erstes reifte. Einen weiteren Einblick in die Geschichte liefert die Bezeichnung „Im Mark Scheide“. Daraus wurde dann in der Mitte des 19. Jahrhunderts “An der sogenannten Markscheide“. Die Bezeichnung ist ein Beleg dafür, dass sich die Ackerfläche an der Gemarkungsgrenze zur Nachbargemeinde befindet. In diesem Falle ist es ein Feld an der Steckelsdorfer Flurgrenze und am einstigen Landweg nach Rathenow. Wie sehr sich im Laufe der Jahre die Wertigkeit dieses Ortes änderte, macht die heutige recht unspektakuläre Feldbezeichnung „Gradehand links“ recht deutlich klar.
Südliche Böhner Gemarkung mit Flurnamen aus drei Epochen. Grafik Wodtke
Einflüsse der Havel
Doch nicht nur die politischen Umwälzungen haben Veränderungen für die Topographie sowie die Gebiets- und Flurbezeichnungen der Gemarkung mit sich gebracht, sondern auch die Havel hat ihren Anteil daran. So gehören seit Jahrhunderten zwei größere, von der Havel eingeschlossene, Wiesenflächen an der Grenze zu Mögelin respektive Rathenow zum Böhner Gebiet. Im Laufe der Zeit wurden daraus zwei beachtliche Inseln im Fluss. Offensichtlich hat die Havel sich irgendwann einmal ein neues Flussbett gesucht und die Wiesenstücke so zu Inseln werden lassen. Die vor 225 Jahren verwendete Bezeichnung „die Grüwen“ was Grube oder auch Graben bedeuten könnte, liefert möglicherweise ein Hinweis darauf, dass hier einst eine Bodenvertiefung bestand. Diese wird sich wohl im Lauf der Geschichte mit Havelwasser gefüllt und damit dann den Wiesenabschnitt zur Inseln gemacht haben.
Flurkarte im Gemeindezentrum für alle zugänglich
Die umfangreichen Ergebnisse der Recherchen der Böhner Hobbychronisten, die hier nur kurz angerissen werden konnten, wurden in einer eigens zu diesem Zweck angefertigten Gemarkungskarte zusammengefasst und grafisch aufbereitet. Auf ihr finden jetzt alle Interessierten die ermittelten Gemarkungsbezeichnungen von 1795, 1862 und 1980 mit lagerichtigem Bezug. Ab dem 25. Februar 2018 wird der Plan im Böhner Gemeindezentrum erstmalig der breiten Öffentlichkeit gezeigt und damit vom vielfältigen Wandel der kleinen Havelgemeinde anschaulich berichten.
Erschienen mit geringfügigen Änderungen am 25. Feb. 2018 in der BRAWO, Lokalausgabe Rathenow