Kurztext:
Der SMAD-Befehl 209 vom 9. September 1947 ordnete den Bau von 37.000 Neubauern-häusern in der sowjetischen Besatzungszone an, um Mängel der Bodenreform zu behe-ben. Trotz Materialknappheit, Reparationsforderungen und Geldmangel gelang vielen Neubauern, oft durch Tauschgeschäfte und Eigeninitiative, der Aufbau ihrer Höfe – ein Symbol von Entbehrung, Mut und Neuanfang nach 1945
SMAD–Befehl zur Schaffung von Neubauernhöfe
Notwendige, aber zu rigoros umgesetzte Maßnahme der sowjetischen Besatzer
von Hans-Jürgen Wodtke
17 000 Neubauernhäuser wie auf dem Foto sollten laut Befehl 209 in dem Ländern Brandenburg und Sachsen-Anhalt gebaut werden. Quelle: Wikipedia
Entstehung von Neubauernwirtschaften nach der Bodenreform
Im Ergebnis der in der SBZ (sowjetische Besatzungszone) 1945/1946 durchgeführten Bodenreform entstanden etwa 500.000 neue Bauernwirtschaften. Rund 91.000 Flüchtlinge und Vertriebene und 119.000 Landarbeiter bekamen aus den zuvor enteigneten Gutshöfen und Bauernwirtschaften über 100 ha Landparzellen zugewiesen. Außerdem konnten 82.000 Kleinbauern ihren bis dahin bescheidenen Besitz mit enteignetem Land erweitern.
Dort, wo es möglich war, wurden den Neubauern Wohnungen, Stallungen und Scheunen aus den enteigneten Landwirtschaftsbetrieben zugewiesen. Doch nur zu oft konnten keine geeigneten Gebäude zur Verfügung gestellt werden. Dieser gravierende Mangel sowie unzureichendes Saatgut, fehlende Zucht- und Zugtiere wie auch landwirtschaftliche Geräte verhinderten den zügigen Aufbau einer dringend benötigten leistungsfähigen Landwirtschaft in Ostdeutschland.
Die Ausgangslage 1947 in der SBZ und die Reaktion der SMAD
Damit war abzusehen, dass die neu strukturierte Landwirtschaft in der SBZ die Ernährung der eigenen Bevölkerung und der sowjetischen Besatzungstruppen in absehbarer Zeit nicht in ausreichendem Maße erbringen konnte.
Das erkannte auch der oberste Chef der sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) und oberster Chef der sowjetischen Besatzungstruppen, Marschall W. Sokolowsky. Mit dem SMAD–Befehl 209 erließ er am 9. September 1947 einen weitreichenden Maßnahmenkatalog zur Beseitigung dieser Missstände.
Inhalt des SMAD–Befehls 209
In dem Befehl an die Ministerpräsidenten der Länder der SBZ hieß es unter anderem:
„Im Laufe des Jahres 1947/48 ist der Bau von nicht weniger als 37.000 Häusern in den Wirtschaften der Neubauern sicherzustellen. Dazu sind bis zum 1. Januar 1948 von den Regierungen der Länder geeignete Landparzellen für den Bau von Wohn- und Wirtschaftsgebäuden bereitzustellen. Die Anträge auf das Recht zum Bauen, Zuweisung der Hofparzellen und Gewährung von Krediten sind in Monatsfrist zu bearbeiten und zu regeln. Personen, die sich einer Verschleppung schuldig machen, sind zur Verantwortung zu ziehen.“
Der Befehl 209 enthielt außerdem genaue Vorgaben zur Beschaffung der Baumaterialien. Es wurde befohlen, gezielt vorhandene Baustoffe bereitzustellen sowie Material aus zerstörten Rüstungswerken, ehemaligen Gutsbesitzerhöfen und herrenlosen Gebäuden zu gewinnen.
Darüber hinaus enthielt der Befehl ökonomische und konstruktive Richtlinien. Die deutschen Behörden der SBZ entwickelten daraufhin mehrere Typenbauten, aus denen die Neubauern auswählen konnten. In vielen Regionen wurden Gebäude mit Wohnhaus, Stall und Scheune unter einem Dach bevorzugt, es gab aber auch individuelle Lösungen, bei denen Wohnungen in bestehende Stallgebäude oder Scheunen integriert wurden.
Baustoffmangel und Improvisation
Unabhängig von der gewählten Bauweise blieben die Probleme bei der Beschaffung der benötigten Materialien bestehen. Aufgrund der Zerstörungen herrschte Mangel an Mauersteinen, Kalk, Bauholz, Nägeln, Dachpappe, Glas und vor allem Zement.
Die Baustoffwirtschaft war überfordert, zumal weiterhin Reparationsleistungen an die Sowjetunion zu erfüllen waren, darunter auch die Lieferung von dringend benötigtem Schnittholz.
Der damalige Forstamtsleiter Hubert Hundrieser beschreibt in seinem autobiografischen Roman „Grünes Herz zwischen Hoffnung und Abschied“, wie er und seine Kollegen mit Geschick Bauholz „an der sowjetischen Kommandantur vorbei“ zu den Neubauern schleusten – ein gefährliches Unterfangen, das mit Haft in sowjetischen Speziallagern hätte enden können. Diese heimliche Unterstützung wurde durch Tauschgeschäfte mit Lebensmitteln vergütet, was in der Hungerzeit überlebenswichtig war.
Zeitzeugenberichte und persönliche Erinnerungen
Auch meine Vorfahren, die 1948 ihre Bauernwirtschaft aufbauen mussten, berichteten von solchen Tausch- und Begünstigungsaktionen. Wer etwas Essbares anzubieten hatte, war klar im Vorteil.
Im Frühjahr 1948 begannen Maurer der Firma Malinowski aus Neue Schleuse (Rathenow-West) mit dem Einbau einer Wohnung in einem ehemaligen Pferdestall des Gutes Wilhelminenhof. Doch die Bauarbeiten wurden bald unterbrochen, da die Firma für den Aufbau eines HO-Ladens in Rathenow abgezogen wurde.
Nach der Währungsreform im Juni 1948 kam der Bau zunächst wegen Geldmangels zum Erliegen. Jede Person durfte nur 70 Reichsmark im Verhältnis 1:1 in Ostmark umtauschen; größere Beträge wurden zu schlechteren Kursen getauscht. Dadurch schrumpften Kredite und Ersparnisse erheblich, während die Preise kaum sanken.
Trotzdem gelang es meinen Vorfahren, ihr Bauvorhaben Ende 1948 erfolgreich abzuschließen – ein bemerkenswerter Erfolg in dieser Zeit.
Glückliche Umstände für bessere Materialverfügbarkeit
Ob Abbruchmaterialien verwendet wurden, ist unklar; vermutlich nur in geringem Umfang. Durch den Zwangsumtausch kam es jedoch zu einem kurzfristigen Rückgang der Bauaktivitäten – und damit wurde Zement plötzlich verfügbar. Wer Geld hatte, konnte nun zehn oder mehr Säcke kaufen, statt wie zuvor nur einen. Für viele Bauvorhaben war das eine glückliche Fügung.
Zeitgenössisches Plakat.....................................Auf dem Böhner Wilhelminenhof entstand eine Feldscheune. Sammlung WodtkeIm Jahr 1949 errichteten meine Vorfahren auf Grundlage des SMAD–Befehls 209 zusätzlich eine Scheune. Dabei halfen erneut Forstamtsleiter Hundrieser und seine Kollegen. Dieses Mal waren es nicht Naturalien, sondern die kameradschaftliche Verbundenheit unter Ostpreußen, die zur Bereitstellung des Holzes beitrug.
Bilanz des SMAD–Befehls 209
Im Land Brandenburg sollten laut Befehl 10.000 und im angrenzenden Sachsen-Anhalt 7.000 Häuser gebaut werden. In der Region entstanden zahlreiche Neubauerngehöfte, doch auch viele Herrenhäuser und landwirtschaftliche Gebäude fielen der Pickhacke zum Opfer.