Grüße zum Advent
Der Rathenower Heimatbund e.V. wünscht seinen Unterstützern und seiner werten Kundschaft eine gesegnete Vorweihnachtszeit.
Kurztext:
Der 1. Mai hat eine wechselvolle Geschichte: Vom blutigen Kampftag der Arbeiter im 19. und frühen 20. Jahrhundert über die nationalsozialistische Instrumentalisierung bis zu den staatlich inszenierten Maifeiern der DDR. Heute gilt er vor allem als Familientag, doch sein Ursprung als Tag des Kampfes für soziale Rechte bleibt bis heute bedeutsam.
Der 1. Mai im Wandel der Zeit
Vom blutigen Kampftag der Arbeiter zum Tag für die ganze Familie
von Hans-Jürgen Wodtke
Maidemonstration am Chemiestandort Premnitz im Jahre 1948. Quelle: Stadtarchiv Premnitz
In diesem Jahr jährt sich der Tag, an dem der 1. Mai erstmalig in Deutschland zum gesetzlichen Feiertag erhoben wurde, zum 100. Mal. Heute, überwiegend zum Familientag mutiert, war das durchaus nicht immer so in Deutschland. Der Tag hat eine überaus wechselvolle Geschichte, an dem nicht nur die um ihre Rechte kämpfenden Arbeiter, sondern auch die Nationalsozialisten nachhaltig mitgeschrieben haben.
Ursprung als Kampftag der Arbeiter
Der 1. Mai stand in der frühen Phase immer mit dem Kampf der Arbeiter um einen geregelten 8-Stunden-Arbeitstag, gerechte Löhne und sichere Arbeitsbedingungen im Zusammenhang. Erste Bemühungen gehen auf die Arbeiterschaft in den USA zurück. Hierzu gab es um den 1. Mai 1886 in verschiedenen amerikanischen Städten einen mehrtägigen Streik. In Chicago eskalierte dieser und forderte mehrere Todesopfer. Vier Jahre später, 1890, beschloss die gerade wieder in Deutschland zugelassene SPD auf ihrem Hallenser Parteitag den 1. Mai künftig als dauerhaften „Feiertag der Arbeiter“ einzuführen. Allerdings sollte dieser Feiertag künftig nur dort begangen werden, wo es die wirtschaftlichen und politischen Voraussetzungen auch erlauben würden. Wo dieses nicht möglich war, sollten am Sonntag nach dem 1. Mai alternativ Umzüge und Feste im Freien stattfinden. Eine Praxis, die durch den Ersten Weltkrieg schließlich ausgesetzt und mit dessen Ende wieder aufgegriffen wurde. Im April 1919 erklärte die deutsche Nationalversammlung nicht nur die Arbeitszeitverkürzung auf acht Stunden, sondern nun auch den 1. Mai in der Weimarer Republik zum gesetzlichen Feiertag. Doch musste diese Feiertagsfestlegung aufgrund des Druckes der Unternehmer bald darauf von der sozialdemokratisch dominierten Regierung wieder aufgehoben werden. Da half es auch nichts, dass die SPD dafür plädierte, aus dem „Kampftag des Proletariats“ einen allgemeinen Volksfeiertag zu machen.
Wachsende Konflikte und der „Blut- Mai“
In den Folgejahren konnte die Arbeiterbewegung, wie der 1. Mai künftig zu begehen seien sollte keinen Konsens finden. Dabei gab es nicht nur zwischen den christlichen und sozialistisch orientierten Arbeiterbewegungen unterschiedliche Auffassungen. Zu einer besonders heftigen Auseinandersetzung kam es am 1. Mai und Folgetagen im Jahre 1929 in Berlin. Zu der Zeit fürchtete der sozialdemokratische Polizeipräsident Karl Zörgiebel auf Grund der damals stark aufgeheizten wirtschaftlichen und politischen Lage Unruhen und verhängte deshalb ein Demonstrationsverbot über die Stadt. Die KPD ignorierte das Verbot und veranstaltete Demonstrationen in der Stadt, in deren Verlauf es zu wilden Schießereien kam. Dabei wurden bis zu 38 Personen getötet, darunter auch völlig unbeteiligte. In der ARD-Fernsehserie „Baylon Berlin“ wurden diese schwarzen Tage in der Geschichte Berlins filmisch aufgearbeitet. Diese Zeitepoche ging fortan als „Blutmai“ in die deutsche Geschichte ein. Sie steht zugleich symbolisch für die tiefe Zerrissenheit der Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik.
Die Mainelke (Bildmitte) erhielt ihr politisches Image als Arbeiterblume 1889 auf dem Internationalen Sozialistenkongress in Paris. Sie wird als Papiernelke am 1. Mai als Ansteckblume getragen. Archiv Wodtke
Der 1. Mai wird unter den Nationalsozialisten Feiertag
Eine gesetzlichen Feiertag für den 1. Mai hingegen gab es immer noch nicht. Das sollte noch bis 1933 dauern. Ausgerechnet die kurz zuvor an die Macht gekommenen Nationalsozialisten griffen die alte Forderung der internationalen Arbeiterschaft auf. Mit offiziellem Erlass vom 10. März 1933 wurde fortan der 1. Tag im Mai zum Feiertag im Deutschen Reich. Der Durchführung der ersten Maifeierlichkeiten, zum „Tag der deutschen Arbeit“ unter Regie der Nazis nahm sich Reichsminister Goebbels persönlich an. Nichts wollte er dabei dem Zufall überlassen. Ziel des landesweiten Spektakels war es, möglichst viele noch abwartende Zeitgenossen für die nationalsozialistische Volksgemeinschaft zu begeistern. Dabei hatte Göbbels besonders die noch vielfach skeptisch abseitsstehenden Arbeiter im Blickfeld. Dazu ließ er zahlreiche Gewerkschaftsvertreter in einer spektakulären Aktion aus den verschiedensten Gebieten des Reiches mit Flugzeugen zur Großkundgebung nach Berlin bringen. So eingelullt erwachten sie und die anderen tausenden Gewerkschafter am nächsten Morgen als Einheiten der SA und SS in wohlorganisierten Aktionen alle Gewerkschaftshäuser im Reich besetzen, zahlreiche Funktionäre verhafteten und die Gewerkschaftskassen beschlagnahmten. Damit waren die freien Gewerkschaften im Land nicht nur zerschlagen, sondern deren einstige Mitglieder wurden nun auch noch genötigt in die nationalsozialistische Einheitsgewerkschaft DAF (Deutsche Arbeitsfront) einzutreten. Auch in Rathenow besetzte die SA das Gewerkschaftshaus in der Großen Hagenstraße 19 und beschlagnahmte das Gebäude, alle Unterlagen, sowie das Vermögen.
Bereits im folgenden Jahr sollte der Feiertag nichts mehr mit der Arbeiterbewegung gemein haben. Stattdessen berief man sich auf einstiges Germanenbrauchtum und erklärte den 1. Mai als Festtag für den Frühlingsbeginn. Von nun an wurden geschmückte Maibäume im ganzen Reich aufstellt und galten als Symbol für den „ewigen Lebenskreislauf“.
Der 1. Mai in der Nachkriegs- und DDR-Zeit
Im April 1946 bestätigte der Alliierte Kontrollrat den 1. Mai als Feiertag im besetzten Deutschland. Offensichtlich aber trauten die Besatzungsmächte den Deutschen noch nicht und untersagten, zumindest in den Westzonen, Umzüge mit Fahnen. In den Festlegungen der ersten Verfassung der DDR wurde der 1. Mai zum staatlich garantierten Feiertag im Osten Deutschlands. Bald wurde allen Beteiligten jedoch klar, fortan stand nicht mehr der Kampf um soziale und politische Rechte, sondern das Bemühen um wirtschaftlichen Fortschritt im Mittelpunkt der Kundgebungen. Folglich ging es bei den staatlich verordneten Maidemonstrationen auch darum, die wirtschaftlichen Erfolge im Land herauszustellen. Zudem sollten die Arbeiter geloben, mehr zu produzieren und noch besser zu arbeiten. Seit 1956 gab es in Ostberlin bei den Maifeiern auch Militärparaden nach sowjetischem Vorbild. Mit dem Aufmarsch der „gepanzerten Faust der Arbeiterklasse“ veränderte sich auch das äußere Bild der Maifeiern stark. Die Partei- und Staatsführung nahm nun die Parade der Vorbeiziehenden von der Balustrade des Volkskammergebäudes, hoch über den Köpfen der ostdeutschen Bevölkerung, ab. Erst ab 1977 verzichtete die SED- Führung auf das militärische Ritual und ließ die Ehrentribüne wieder absenken. Dennoch war es auch dann für die meisten immer noch keine Freude, von Vorgesetzten verdonnert, in der Masse der Tausende mitmarschieren und vor der Tribüne vorbei patrouillieren zu müssen. Den Groll darüber linderte damals auch, die obligatorische an alle kostenfrei verteilte, Bockwurst nicht.
Der 1. Mai wurde praktisch in allen Orten der DDR begangen. In den Kreisstädten und Industriestandorten prägte ein Mix aus Kundgebung und Vorbeimarsch an den lokalen Partei- und Gewerkschaftsgrößen mit anschließendem Volksfest den Charakter des Tages. Dagegen begingen die Bürger in den Dörfern des Landes den Feiertag mit Dorffesten rund um den geschmückten Maibaum. Ohne Zweifel war man da als Bürger einer dörflichen Gemeinde besser dran, so man nicht seine Arbeits- oder Dienststelle, Sportverein, oder dergleichen in der Stadt mit staatlich angeordneter Maidemonstration hatte. So erging es auch mir damals. Folglich verfing auch meine Argumentation, dass ich in meinem Heimatdorf den Kampftag begehen wollte nicht immer. Mein damaliger Abteilungsleiter im VEB (K) Baureparaturen, Fritz Kreie, hatte auch zum Thema Teilnahme am alljährlichen Maiumzug seine Prinzipien. Danach reichte es als Nicht-Rathenower, wenn man alle drei Jahre dabei war. Doch dann musste man, ohne Wenn und Aber! Mit dieser langfristig angelegten Regelung kam ich aber ganz gut klar.
Der 1. Mai nach der Wiedervereinigung
Ob nun Volksfest, Kampftag oder Feiertag, diese Überlegungen gerieten 1989/90 schnell in den Hintergrund. Nun standen ganz andere Ereignisse im Focus der Aufmerksamkeit der Menschen. Beinahe über Nacht hatte der Zusammenbruch der DDR, nicht nur die deutsche Nation, sondern die ganze Welt verändert. 1990 hielt der DGB- Vorsitzende Ernst Breit vor dem Berliner Reichstag die seit 1932 erste freie gewerkschaftliche Mairede an ein gesamtdeutsches Publikum. Zwischenzeitlich haben immer wieder besonders in Großstädten, zumeist von Autonomen initiierte Krawalle, auf den 1. Mai aufmerksam gemacht. Aktionen, auf die die Menschen in unserem Lande nur zu gut gern verzichten könnten. Dabei gäbe es heute so viel für das es sich an einem 1. Mai zu demonstrieren lohnen würde.
Erschienen mit geringfügigen Änderungen am 1. Mai 2019 in der BRAWO, Lokalausgabe Rathenow